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#1

Ein schwarzer Tag für die Pressefreiheit in Südafrika

in INTERNET MEDIENWELT 25.11.2011 16:05
von Volker (gelöscht)
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Neues Pressegesetz in Südafrika: Zurück in die Autokratie

Rex Gibson hat das untrügliche Gefühl, alles schon einmal erlebt zu haben: Als ehemaliger Redakteur der regimekritischen Johannesburger „Rand Daily Mail“ war er bereits in den späten 70er Jahren mit den harten Pressegesetzen der Apartheidära konfrontiert – und musste mehrfach vor Gericht. „Mit der Machtübernahme von Nelson Mandelas Afrikanischem Nationalkongress (ANC) und der Annahme einer liberalen Verfassung schien die Pressefreiheit gesichert“, sagt er.

Ein kapitaler Trugschluss, wie sich nun zeigt: 17 Jahre nach seinem Amtsantritt ist der ANC die harsche Kritik an seinem Regierungsstil leid – und reaktiviert ausgerechnet die Pressegesetze seiner früheren Unterdrücker. Obwohl einige Passagen am Ende noch leicht abgemildert und ergänzt wurden, verabschiedete der ANC zur Wochenmitte eine Gesetzesvorlage, deren entscheidende Passagen dem Apartheid-Pressegesetz von 1977 zum Verwechseln ähneln. Im ganzen Land waren Südafrikaner deshalb auch am Tag der Annahme des Gesetzes durch das Parlament überwiegend schwarz gekleidet – in Anlehnung an den „schwarzen Mittwoch“ des Jahres 1977, als das Apartheidregime eine große Zeitung im Land verbot und ihre leitenden Redakteure einsperrte.

Mit dem Gesetz zum „Schutz der Information“, wie das Gesetz zynisch heißt, will der regierende ANC Informationen und Daten nach eigenem Gutdünken als geheim einstufen. Die Klassifizierung liegt dabei im Ermessen von Behördenleitern, die damit auch eigene, korrupte Praktiken kaschieren könnten. Wer als „streng geheim“ eingestufte Staatsdokumente publik macht, selbst wenn es dabei um eine Straftat geht, muss mit Gefängnisstrafen bis zu 25 Jahren rechnen. Für die unerlaubte Verbreitung „vertraulicher“ Informationen drohen bis zu fünf Jahre Haft. Diese (absurd hohen) Strafen gelten auch für Journalisten, die solche Dokumente zugespielt bekommen – und dies nicht sofort den Behörden melden. Die Klausel, Zuwiderhandlungen straffrei zu belassen, wenn ein öffentliches Interesse an dem als geheim klassifizierten Dokument besteht, wurde vom ANC ausdrücklich abgelehnt. „Die endgültige Annahme des Gesetzes wie sie nun droht, wäre ohne Zweifel das Ende des Enthüllungsjournalismus´“, konstatiert die linksliberale „Mail & Guardian“, die in den letzten Jahren viele Korruptionsskandale in Regierungskreisen mutig aufgedeckt hatte.

In dem Gesetz vermischen sich die zunehmend autoritären Tendenzen des ANC mit einer diffusen Scham seiner Vertreter über ihre immer öfter aufgedeckten Verfehlungen. Südafrika wird seit langem fast im Wochentakt von Korruptionsfällen geschüttelt, die anderswo zum Sturz von Regierungen führen würden, aber am Kap oft straffrei bleiben. Erst am Wochenende wurde Mac Maharaj, der Sprecher von Präsident Jacob Zuma, der Annahme von Schmiergeldern in Millionenhöhe bezichtigt, doch verweigert Maharaj trotz der erdrückenden Beweislast jede Aussage, da die Informationen nach seiner Ansicht „illegal“ beschafft wurden. Diese Begründung dürfte Südafrika nach der endgültigen Verabschiedung des Gesetzes künftig noch viel häufiger von Beschuldigten hören.

Gerade wegen der enormen Machtfülle des ANC haben die Medien in Südafrika schon immer eine wichtige Kontrollfunktion inne. So hat der ANC im nationalen Parlament 264 der 400 Sitze und damit fast genau eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Daneben herrscht die Regierungspartei in acht der neun Provinzen des Landes und in praktisch allen größeren Metropolen mit Ausnahme von Kapstadt.

Wie ernst es der Regierung mit dem Gesetz ist, machte im letzten Jahr auch die Verhaftung des Journalisten Mzilikazi wa Afrika von der „Sunday Times“ deutlich. Ein Großaufgebot der „Hawks“, einer neu gegründeten Spezialeinheit der Polizei, nahm den Reporter in den Redaktionsräumen seiner Zeitung in Johannesburg fest – offenbar mit dem Ziel, die Medien kräftig einzuschüchtern. „Zuletzt sah man solche Bilder in den dunkelsten Tagen der Apartheid vor 25 Jahren, schrieb damals die Sunday Times.
Weder Präsident Zuma noch sein Kabinett scheinen zu verstehen, welchen Imageschaden sie ihrem Land zufügen. „Sollte das Pressegesetz auch von der zweiten Parlamentskammer verabschiedet werden, hat Südafrika eine extrem gefährliche Schwelle auf dem Weg zu einer korrupten Autokratie überschritten“, warnte die „Financial Times“ in einem Leitartikel mit dem unheilvollen Titel „Südafrikas Weg nach Simbabwe“. Dort hat Diktator Robert Mugabe den Rechtsstaat binnen zehn Jahren komplett ausgehebelt – und das einstige afrikanische Entwicklungsmodell wirtschaftlich wie politisch ruiniert.

Immerhin hat Südafrikas Zivilgesellschaft die Gefahr für die junge Demokratie am Kap erkannt: Neben der parlamentarischen Opposition laufen auch die mit dem ANC eigentlich verbündeten Gewerkschaften und rund 350 weitere gesellschaftliche Gruppen gegen das Pressegesetz Sturm. Gibson selbst sieht in dem Feldzug des Regimes gegen die Medien einen kaum mehr verhüllten Versuch, jegliche Kritik an der immer größeren Machtarroganz des ANC zu ersticken. Doch das Blatt könne sich für den ANC wenden, mahnt er. „Das Apartheidregime dachte 1977 ebenfalls, dass es ewig regieren würde. Kaum 20 Jahre später sind heute jedoch seine Erzfeinde an der Macht und missbrauchen die Gesetze. Der ANC täte gut daran, sich daran zu erinnern.“
Von Wolfgang Drechsler

Quelle: http://www.az.com.na/politik/neues-press...atie.138559.php


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#2

RE: Ein schwarzer Tag für die Pressefreiheit in Südafrika

in INTERNET MEDIENWELT 25.11.2011 16:35
von Crazy Zebra • Admin | 2.556 Beiträge

Hallo Volker,

habe den Artikel in der AZ auch gelesen - was denkst Du?

Übertrieben skizziert? Oder wirklich der Anfang vom Ende?

Grüsse Kurt


Afrika - eine Liebesgeschichte - Drama & Lovestory - das volle Programm

zuletzt bearbeitet 25.11.2011 16:38 | nach oben springen

#3

RE: Ein schwarzer Tag für die Pressefreiheit in Südafrika

in INTERNET MEDIENWELT 25.11.2011 16:41
von Lumela • Leopard | 259 Beiträge

Vielen Dank, Volker, für den interessanten Artikel aus der AZ.

Schon am Dienstag hat mich ein südafrkianischer Freund "Today is a very sad day for democracy in SA..... Protection of Deception Bill..." via facebook wissen lassen. Das ist eine sehr bedenkliche Entwicklung für dieses grosse, schöne Land.

Gute infos dazu gibt es auf news24

Lumela


Das Risiko eines Abenteuers ist mehr wert als tausend Tage Wohlleben und Bequemlichkeit - Paulo Coelho


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#4

RE: Ein schwarzer Tag für die Pressefreiheit in Südafrika

in INTERNET MEDIENWELT 25.11.2011 17:05
von Volker (gelöscht)
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Hallo Kurt,

ich denke nicht, dass in der Angelegenheit das letzte Wort gesprochen ist, siehe den Widerstand im Land. Zudem wird im Zeitalter des Internet so eine Zensur nicht durchzuhalten sein, es wird hoffentlich weiterhin couragierte Journalisten geben, die ggf. auf ausländischen Domains unterwegs sind und sich einer direkten Strafverfolgung entziehen.

Werde die Entwicklung gespannt mitverfolgen.

Viele Grüße,

Volker


zuletzt bearbeitet 25.11.2011 17:12 | nach oben springen

#5

RE: Ein schwarzer Tag für die Pressefreiheit in Südafrika

in INTERNET MEDIENWELT 25.11.2011 17:15
von Crazy Zebra • Admin | 2.556 Beiträge

Zitat von Volker
Hallo Kurt,

ich denke nicht, dass in der Angelegenheit das letzte Wort gesprochen ist. Im Zeitalter des Internet wird so eine Zensur nicht durchzuhalten sein, es wird hoffentlich weiterhin couragierte Journalisten geben, die ggf. auf ausländischen Domains unterwegs sind und sich einer direkten Strafverfolgung hinterziehen.

Werde die Entwicklung gespannt mitverfolgen.

Viele Grüße,

Volker



Hallo Volker,

mal sehen!

Ich denke dass das Übel der Zensur liegt die sehr oft in den 1-Parteiensystemen ausgeübt werden?

Wenn es mehrere Parteien hat, und keine eine absolute Mehrheit, schaut eine jede der anderen auf die Finger.
Dann hat plötzlich jede Partei ein interesse an Pressefreiheit - wohlgemerkt natürlich aus Eigenintresse.

Aber wenn es den Zweck erfüllt ist das OK.

Schaut man sie die Weltkarte der Pressefreiheit an, ist sie dort an kleinsten wo nur eine "Macht" am regieren ist

China, Russland, Nordkorea .... als einige nrgative Beispiele genannt,

Also müsste man eigentlich dafür sorgen das die Opositionen in ihrer Vielvalt gestärkt werden - vereinfach gesagt natürlich.

Gruss Kurt


Afrika - eine Liebesgeschichte - Drama & Lovestory - das volle Programm

zuletzt bearbeitet 25.11.2011 17:26 | nach oben springen

#6

RE: Ein schwarzer Tag für die Pressefreiheit in Südafrika

in INTERNET MEDIENWELT 25.11.2011 17:25
von Volker (gelöscht)
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Hallo Kurt,

ich habe immer noch Hoffnung, dass sich die anderen demokratischen Parteien in Südafrika über die nächsten Jahre besser positionieren können. Der ANC kann sich nicht Alles erlauben, das weiß auch ein Jacob Zuma. Auch wenn Julius Malema eher deswegen rasiert wurde, weil er Zuma und einigen anderen ANC-Granden zu gefährlich wurde - und weniger wegen seiner wiederholten Kritik an der Regierung in Botswana.

Die Entwicklung ist auf jeden Fall kritisch zu sehen - und Dein Hinweis auf "totalitäre" Regierungen, auch wenn sie sich teilweise Demokratie schimpfen, ist mehr als hilfreich.

Viele Grüße,

Volker


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